Kirche/Gesellschaft

De Maiziere: Kirchen nicht auf Missbrauch und Zölibat reduzieren

Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche in Deutschland verlieren immer mehr Mitglieder. Werden sich die Kirchen bald von der Bühne verabschieden? Und was sollten sie vorher dringend noch loswerden?

Der ehemalige Bundesinnen- und Verteidigungsminister Thomas de Maiziere hat auf dem Katholikentag beklagt, dass Kirchen in der öffentlichen Diskussion nur noch auf Zölibat und Missbrauch beschränkt würden. „Die Selbst- und Fremdreduktion auf diese beiden Themen macht uns selbst kaputt und das dürfen wir uns nicht gefallen lassen“, erklärte der CDU-Politiker beim Forum „Was wir noch zu sagen hätten… Christ:innen zwischen Abschiedstour und Aufbruch“. Es dürfe nicht sein, dass die Stimmen der katholischen und evangelischen Kirchen bei Themen wie Friedensethik, Soziale Gerechtigkeit und Globalisierung stumm blieben, weil sie sich nur noch mit Missbrauch beschäftigten, kritisierte de Maizere, der auch Präsident des kommenden Kirchentags der Evangelischen Kirche in Nürnberg 2023 ist.

Dem widersprach der Bochumer Pastoraltheologe Matthias Sellmann. Missbrauch und Zölibat „sind nicht zwei Themen, sondern strukturelle Schwierigkeiten“, die es der Kirche faktisch unmöglich machten zu Gott, aber auch in die Gesellschaft zurückzufinden. „Wir müssen zuallererst diese strukturellen Hausaufgaben machen“, betonte Sellmann. „Wir sind nicht Opfer irgendwelcher Mächte, die uns zugrunde richten, das machen wir gerade selber.“

Aus Sicht der FDP-Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg müsse sich die Kirche fragen, welche Verantwortung sie in dieser Situation habe. „Wir dürfen nicht sagen, wir können nichts tun, wir können nichts liefern“, sagte das Mitglied der evangelischen Synode in Deutschland. Es sei wichtig, dass die Kirche bei aktuellen Themen Offenheit zeige, um gehört zu werden.

Gehört werde er auch trotz seiner Minderheitssituation, erklärte der Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer. So stehe er in „engem und freundschaftlichen Austausch“ mit den evangelischen und reformierten Kirchen in Niedersachen. „Wir können nur in die säkulare Gesellschaft durchdringen, wenn wir zusammenstehen.“ Niedersachsen sei derzeit die einzige Region in Deutschland, wo evangelische Landeskirchen und katholische Bistümer gemeinsam ein Dokument vorgelegt hätten, das bezüglich der Problematik assistierter Suizid eine praktische Hilfe für Diakonie, Caritas und die private Pflege sei.

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