Impuls zum 2. Advent

Ein Glaube, der feiert und das Leben bejaht

Von Achim Klüppelberg 

 

„Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen. Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ – Prediger 3: 10-13, Lutherbibel 1999.

Wie vielen wird gesagt, dass man dieses und jenes nicht tun solle. Dass es sich nicht gehört, auf eine gewisse Art zu fühlen, Freude zu zeigen, zu lachen, zu genießen, zu erleben, glücklich zu sein. Wie viele lernen den Glauben als etwas kennen, was vorschreibt, verbietet, einengt, abtötet, erdrückt und sich zu guter Letzt wie eine Zwangsjacke anfühlt? Wie viele Glaubensgemeinschaften basieren auf unhinterfragbarem Gehorsam, fragwürdigen Geheimnissen, Elitismus und einer direkten Abgrenzung des „Wir“ von „Denen“?

Als ich aufwuchs hatte ich das große Glück, den Glauben von meiner Mutter und meiner Oma trotz eines Umfelds kennenzulernen, was abseits der Familie absolut weltlich, atheistisch und glaubensfern war. Natürlich gab es dabei auch Regeln und ein klares „richtig“ und „falsch“. Aber in meiner Lebensrealität konnte ich den Glauben annehmen und mir gleichzeitig die Freiheit aufbauen, die ich für mein Leben brauchte. So konnte ich nach dem Erwachsenwerden, vielen einschneidenden und politisierenden Erlebnissen, und genügend selbst durchlebter Krisen feststellen, dass es Gott tatsächlich gibt und dass er wirklich ein liebender und nur sehr selten ein strafender Gott ist.

Wenn Gott existiert und er uns wirklich aus Liebe und Gnade heraus geschaffen hat – genauso wie die Welt in der wir leben und von der wir leben dürfen – dann möchte er, dass es uns gut geht. Natürlich haben wir einen Auftrag in der Welt. Etwas, was die kürzlich verstorbene Tierschutzaktivistin Jane Goodall mit „stewardship of the world“ im Gegensatz zur „dominion of the world“ bezeichnet hat, bedeutet einerseits, dass wir unseren Mitgeschöpfen mit Liebe begegnen. Andererseits bedeutet es aber auch, dass wir uns selbst mit Liebe begegnen sollen.

Tatsächlich bin ich fest davon überzeugt, dass wir dieses Leben genießen dürfen. Dass wir – wie es der legendäre israelitische König Salomon[1] im Buch Prediger oben ausdrückt – wir in der Nichtigkeit unseres Seins einige wenige Entscheidungen innerhalb des Rahmens, den Gott uns gibt, treffen können. Wenn wir diese Entscheidungen zum Wohle aller getroffen haben, dürfen wir entspannt essen, trinken und froh sein. Wir als Menschen begreifen die Welt und die Ewigkeit sowieso nicht. Wir können uns dem annähern, müssen aber zwangsläufig wegen unserer körperlichen Endlichkeit scheitern. Anstatt daran zu verzweifeln, sollten wir Mut und Trost im Zeugnis Jesu Christi finden. Denn wenn wir ihn annehmen und so gut leben wie wir können, dann erwartet uns das Ewige Leben.

Das Buch Prediger steht aber auch nicht ohne Grund im Alten Testament. Denn es ist eine alttestamentliche Vorstellung, dass jemand die gottesfürchtig lebt, bereits im Diesseits dafür belohnt wird. Die Calvinist:innen waren in der Reformation so überzeugt davon, dass sie diesen Teil zu einem Kernpunkt ihrer Theologie machten. Natürlich kann man nicht sagen, dass Reichtum mit Gottes Segen gleichgesetzt werden kann. Aber in meinem persönlichen Leben konnte ich doch feststellen, dass ich zu jedem Zeitpunkt immer alles hatte, was ich brauchte. Ja mehr sogar, Träume werden wahr und das Leben bestätigt uns darin, hoffnungsvoll und positiv in unsere Aufgaben zu gehen.

Am Ende bedeutet für mich Advent genau das: Wir hoffen auf die Erlösung durch Jesus und feiern seine Geburt mit dem Weihnachtsfest. Um uns darauf vorzubereiten, feiern wir auch die Adventssonntage. Diese Bräuche bestärken mich auch darin, dass es tatsächlich ok ist ausgelassen und glücklich zu sein. Es ist ok, für diesen weltverändernden Anlass gut zu essen, zu trinken und sich gut zu fühlen. König Salomon, der von Gott Weisheit geschenkt bekam und es sicherlich auch am Ende mit der Freiheit über die Grenzen anderer hinweg übertrieben hat, gibt uns für diese Vorweihnachtszeit mit, dass wir unsere Grenzen erkennen sollen und Gott durch unsere Freude verehren können.

Christ sein bedeutet nicht das Leben aufgeben, das Befolgen hunderter erdrückender Regeln, oder die Verleugnung des Selbst. Christ sein bedeutet, bei den wenigen bedeutenden Entscheidungen in unserem Leben das Richtige zu wählen und uns an der Schöpfung Gottes zu erfreuen. Damit ehren wir den Schöpfer in seiner Großartigkeit und laufen auch nicht Gefahr, dass unser Egoismus übernimmt. Dann wird der Glaube zur eigentlichen Freiheit, weil das Schlechte in der Welt uns nur bedingt etwas kann.

Gott möchte nicht, dass wir von Regeln erdrückt werden und unser Geist versinkt, sondern dass er fliegt![2] Wir sollen unser Potential entfalten und das innerhalb des Rahmens tun, den Gott für uns als unser Schöpfer vorgesehen hat. Menschengemachte Traditionen, Vorschriften und Rituale können uns dabei helfen, aber sie sind nicht essentiell notwendig. Das Evangelium gibt uns alles mit was wir brauchen, was wir wie die Gottesmutter Maria in unserem Herzen bewegen sollen. Bleiben wir bei Jesus, so bleiben wir in der Liebe und damit auch im Guten und Richtigen – für die Welt aber auch für uns selbst.

Zuletzt möchte ich uns die Nachricht Jane Goodalls mitgeben: Jeder von uns hat eine Rolle in der Welt zu spielen. Dein Leben ist wichtig und du bist hier für einen bestimmten Grund. An jedem Tag den du lebst, hast du einen entscheidenden Einfluss auf die Welt. Du kannst entscheiden, wie du die Welt beeinflusst. Verliere dabei nie die Hoffnung. Denn ohne Hoffnung, bleibt nur die Apathie. Aber wenn wir handeln, kann das Gute das Böse überwinden. Wir müssen alles tun was wir können, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Du hast die Macht dazu!

 

https://www.youtube.com/watch?v=lfLKHY52ERc

Dr. Jane Goodall’s Final Message To The World

 


[1] Der Einfachheit im Verständnis nach schließe ich mich Luther an und gehe davon aus, dass der Ich-Erzähler im Buch Kohelet mit König Salomon gleichgesetzt werden kann.

[2] Nach einer Predigt von Scalogna, Sebastian: Lass dein Herz fliegen!, Freikirche Kreuzheide Wolfsburg, 20.09.2021.

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